Dauerwald
Profipfad
„Die ganzheitliche Betrachtung des Waldes als dauerhaftes, vielgestaltiges und dynamisches Ökosystem ist die Grundidee naturgemäßer Waldwirtschaft.“ (AG „Dauerwald“ der ANW Deutschland 2020: online) So definiert die Arbeitsgemeinschaft naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) den Leitgedanken ihrer Waldbewirtschaftung (Dauerwald-Bewirtschaftung). Der Blick durch das Guckfenster an dieser Station, soll den Fokus auf die Waldstruktur des Dauerwaldes lenken.
Historie
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts setzt sich, nach größeren Schadereignissen (flächige Windwürfe und Insektenkalamitäten) in den Nadelholz-Monokulturen des Altersklassenwaldes die Erkenntnis durch, dass der durch Menschen gemachte Forst (Monokulturen) sehr anfällig für biotische und abiotische Einflüsse ist, welche negative Folgen für die wirtschaftliche Nutzung der Waldflächen mit sich bringen. Die Entfernung von potenziell natürlicher Waldvegetation hin zu Nadelholz-Monokulturen wurde als eine Ursache erkannt (z.B. von Karl Gayer: „Der gemischte Wald“). (vgl. Hierdeis, C. 2021: mündlich)
Auch außerhalb der Forstwelt im Bereich der Biologie wurde der Wald durch Forschung in ein neues Licht gerückt. So wurde der Begriff des Ökosystems erst 1928 von Richard Woltereck (Biologe) geprägt. Dieser bezeichnete den Wald als „ökologisches System“.
Es folgte 1935 Arthur Georg Transley (Botaniker), welcher den im deutschen bereits gebräuchlichen Begriff ins Englische („ecosystem“) übersetzte. Schließlich wurde er wieder ins Deutsche als „Ökosystem“ übersetzt und ist bis heute gebräuchlich. (vgl. Online-Wörterbuch Wortbedeutung.info 2021: online)
Der Vater des Dauerwaldgedankens (1922), Prof. Dr. Alfred Möller, kannte den Begriff des Ökosystems noch nicht und bezeichnete die von ihm erkannten Zusammenhänge im Wald als Organismus, was unter seinen Zeitgenossen zu größeren Diskussionen führte. Seine Gedanken veröffentlichte er deshalb, auch zur Erläuterung seiner Theorien, im Jahre 1922 mit dem Buch „Der Dauerwaldgedanke – Sein Sinn und seine Bedeutung“, in das er grundsätzliche Erkenntnisse über das Wesen des Waldes einfließen ließ.
Vorläufer waren zum Beispiel Dr. Karl Gayer mit „Waldbau“ (1880) und „Der gemischte Wald – seine Begründung und Pflege, insbesondere durch Horst- und Truppenwirtschaft“ (1886) und die Aussagen von Borggreve (1885). Sie alle vereinte die Erkenntnis, dass eine naturferne Bewirtschaftung des Waldes (Altersklassenwald) im diametralen Gegensatz zu einer multifunktional, nachhaltigen Waldbewirtschaftung (naturnahe Waldbewirtschaftung, Dauerwald) steht.
In der Konsequenz wurde das Dauerwaldmodell entwickelt. Bei dieser Betriebsform (als Alternative zum
Schlagweisen Hochwald/Altersklassenwald) der naturnahen, multifunktionalen Waldbewirtschaftung wird der Wald als dynamisches, vielgestaltiges und dauerhaftes Ökosystem betrachtet. Es gibt verschiedenste Merkmale, die den Dauerwald als einen solchen kennzeichnen, ebenso werden bestimmte Grundsätze vertreten, welche diesem seine Gestalt verleihen. (vgl. Hierdeis, C. 2021: mündlich; vgl. Möller 1922: Buch; vgl. Müller/Stähr 2010: 8 f)
Ist-Zustand
Der Dauerwald ist ein dem Standort angepasster, naturnaher, bewirtschafteter Wald, welcher durch gemischte und ungleichaltrige Bestände gekennzeichnet ist. Dieser wird als funktionierendes Ökosystem erhalten und entwickelt. Dies geschieht zum Einen durch Selbsterneuerung (spontane natürliche Verjüngung). Zum Anderen durch effiziente Selbstregulation, wobei die Stammzahlreduktion durch inter- und intraspezifische Konkurrenz, unter abiotischen und biotischen Umweltprozessen, erfolgt. Außerdem wird eine große Stabilität durch permanente Pflege gewährleistet.
Diese Pflege funktioniert durch Auslese der gewünschten Individuen, Vorratspflege des Gesamtbestandes (Verbleib der besten Individuen) und einer Ziel-Wert-Ernte als Entnahme von besonders wertvollen Bäumen. Im Dauerwald wirken die natürlichen Prozesse der Waldentwicklung, wie Mischung, Differenzierung, Strukturierung und Regeneration ganz von alleine. Sie werden durch die gegebenen Rahmenbedingungen des Bewirtschafters bestmöglich unterstützt.
Zum wirtschaftlichen Aspekt gehören sicherlich die stetige Pflege und Ernte im Wald. Hierbei werden Struktur, Qualität, Vielfalt und Vorrat ständig erhalten. Um dies zu unterstützen wird situativ einzelbaumorientiertes oder horst- und truppweises Entnehmen bzw. die Pflanzung von Bäumen aktiv in die Walderhaltung integriert. Dabei wird auf naturschutzfachliche Aspekte geachtet. Somit werden unter anderem eine Vielfalt von Biotopelementen wie Habitatbäume, Totholz und Pionierstadien erhalten, da diese für Stabilität im Waldökosystem sorgen und von großer Bedeutung sind.
Zu den allgemeinen Grundsätzen, welche der Dauerwald fordert, gehört, dass im Gegensatz zu den Bewirtschaftungsweisen des Altersklassenwaldes, auf Kahlschläge vollständig verzichtet wird. Um die Wertnachhaltigkeit zu sichern, wird nach dem Plenterprinzip, regelmäßig einzelbaum- bis horstweise genutzt und dadurch ist für eine stetige Produktion von wertvollem Holz gesorgt (siehe Abb. 12). Um einer zu starkenEntnahme dieses Rohstoffes entgegenzuwirken, findet periodisch eine Forsteinrichtung statt, welche neben der Holzmenge, die Anteile des Wertholzes am Gesamtvorrat bemisst. Sie wird häufig in Form einer Stichproben-Inventur vorgenommen.
Des Weiteren wird auf die Stetigkeit der typischen Merkmale des Waldes geachtet. Das Nutzungspotenzial, die Struktur, der Zuwachs, der Vorrat sowie ein luftfeuchtes windberuhigtes Waldinnenklima, die Verjüngung (Nachwuchs) und Biotopholz werden immer wieder geprüft und bewertet. Somit werden eine nachhaltige Sicherung der Waldfunktionen (Erholung, Nutzung, Schutz) sowie Wohlfahrtswirkungen und Nachhaltigkeit gesichert.
Um seltene Biotope entstehen zu lassen, wird außerdem auf einen waldangepassten Technikeinsatz und eine ständige Bodenbedeckung Wert gelegt. Es werden beispielsweise Äste von gefällten Bäumen liegen gelassen oder Bäume, welche bei einem Sturm umgefallen sind. Sie dienen als Biotopelemente, denn dem Wald wird die Biomasse nicht vollständig entzogen, um mit besonders vielen verschiedenen Nischen für eine möglichst hohe Artenvielfalt zu sorgen (Lebensräume schaffen). Ferner wird durch diese Maßnahmen die Sicherung von Humus, Nährstoff- und Wasserhaushalt und Bodenqualität gewährleistet.
Ein weiterer Grundsatz beschreibt das Vorhandensein und Zulassen der natürlichen Regeneration, wodurch beispielsweise eine genetische Anpassung, auch an ein sich änderndes Klima, erfolgen kann. Außerdem ist dies ein wirtschaftlicher Vorteil, da weniger Bäume gepflanzt werden müssen und die Mischung der Baumarten weitestgehend von alleine passiert. Fehlende Baumarten können kostengünstig ergänzt werden.
Dieser Prozess ist natürlich nur durch eine konsequente Jagd möglich, denn nur ökonomisch und ökologisch tragbare Schalenwilddichten führen zur natürlichen Regeneration einer standortangepassten, artenreichen Baum-, Kraut- und Strauchschicht. Das heißt, die Jagd und die folgende Minimierung von Wildschäden sind die Voraussetzung dafür, dass die Bäume in geeigneter Quantität und Qualität wachsen können.
Perspektive
Für die Zukunft bedeutet diese Form der Bewirtschaftung nur Vorteile, denn durch diese Mischung, Vielfalt und Struktur wird insgesamt für eine höhere Resilienz des Ökosystems Wald gesorgt. Somit gibt es eine hohe Risikoverteilung und die Zukunft des multifunktionalen Waldes ist gesichert. Nicht nur die Vitalität, Produktivität und Stabilität werden gesteigert, auch ästhetische Aspekte des Waldes als Ökosystem werden beachtet und verbessert.
Weiterhin kann der Wald als Erholungsraum dienen, die wirtschaftliche Nutzung bleibt möglich und die Schutzfunktionen können auch in Zukunft gewährleistet werden. Der Kompromiss zwischen den Anforderungen der Gesellschaft und dem Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen scheint somit gefunden.
(vgl. AG „Dauerwald“ der ANW Deutschland 2020: online, vgl. Hierdeis, C. 2021: mündlich)
Die ANW Deutschland findet, „[d]er [Änderung des Verfassers] Dauerwald stellt unter ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit die „best practise“ einer Waldbewirtschaftung dar.“(ANW Hessen e.V. 2018: online)