Templiner Innenstadt
Unser Rundgang beginnt vor dem historischen Rathaus, wo das Stadtwappen als Mosaik im Pflaster zu bewundern ist. Der rote Adler, der sich ja auch im Brandenburger Landeswappen wiederfindet, stammt von den Askaniern, einem alten Adelsgeschlecht, dem wir auch die Gründung Templins verdanken. Das geschah nach 1230, als die Gegend durch die askanischen Markgrafen von pommerschen Fürsten erworben wurde.
Templin wurde nach dem in der Literatur so genannten ostelbischen Kolonialschema angelegt, d.h. Kirchplatz und Marktplatz wurden deutlich getrennt voneinander festgelegt und von den drei Stadttoren führte jeweils ein direkter Weg zum Markt, aber es gab – aus militärischen Gründen – keine Direktverbindungen von einem Tor zum anderen. Das damalige Straßennetz orientierte sich dann an diesen Vorgaben, heute sieht es aber anders aus. Nach dem großen Stadtbrand von 1735, der fast alle Gebäude der Stadt vernichtete, ergab sich die Gelegenheit, neue Vorstellungen von einer modernen preußischen Stadt in die Tat umzusetzen. Das geschah dann auch nach einem detaillierten Baureglement mit strikten Vorgaben.
Rathaus und Kirche entstanden neu im Barockstil, ein Blick auf den Stadtplan und auch auf die Fachwerkfassaden der aus dieser Zeit erhaltenen Häuser zeigt sofort: Hier regiert der preußische rechte Winkel als Ordnungs- und Gestaltungsmerkmal! Übrigens haben sich Hamburger Kaufleute mit immerhin 600 Talern am Wiederaufbau beteiligt – und die hatten einen Grund dafür. Dazu später. Unser Weg führt uns in die Rühlstraße, wo wir das reizvolle Flair liebevoll restaurierter Fachwerkhäuser aus der Zeit um 1740 in einer geschlossenen Blockrandbebauung genießen können, der wir auch einige der schönsten Ecken von Templin verdanken, die Innenhöfe, zu denen wir noch kommen. Von hier aus gehen wir nun auf eine Zeitreise. Es sind nur ein paar Meter von den Fachwerkbauten zur aus Feldsteinen errichteten Stadtmauer, aber es sind auch mehr als 400 Jahre zurück in die Vergangenheit.
Mittelalterliche Stadtmauer
Unsere mittelalterliche Stadtmauer ist ein einzigartiges bauhistorisches Juwel, das es in diesem Erhaltungszustand in ganz Deutschland nicht noch einmal gibt und sie kann uns einiges erzählen, wenn wir wissen, wo wir genauer hinschauen sollten. Richten wir unseren Blick längs der Mauer, so wird ihr Aufbau in klar erkennbaren Schichten deutlich. Die Mauer ist relativ glatt, die Steine sind vor Ort von Steinschlägern, deren Kunst heute kaum noch jemand beherrscht, bearbeitet und dann in die Mauer eingesetzt worden.
Dabei haben uns die Handwerker die Freude gemacht, gespaltene Steine mit den Spaltflächen nach außen nebeneinander in die Mauer einzusetzen, so dass die “Zwillingspärchen” entstanden sind. Das nennt man wohl “weise Voraussicht”, denn offenbar finden viele unserer heutigen Besucher Spaß daran, diese Steinpaare aufzuspüren und zu zählen.
Der Eulenturm diente lange Zeit als Gefängnis. Es gibt nur einen einzigen Zugang in beträchtlicher Höhe, so dass die verurteilten Übeltäter mit einer Leiter hochgeschafft und im Turm wohl an einer Strickleiter herunter gelassen wurden, wo sie dann in einem extrem ungemütlichen Ambiente ihre Zeit absaßen. Der Turm weist aber noch eine Merkwürdigkeit auf: Folgt der Blick der Kehle zwischen Turm und Mauer nach oben, dann sieht man, dass diese Kehle sich wie eine Naht bis fast an die Turmkrone fortsetzt.
Jeder ordentliche Maurer sieht sofort, dass das nun kein ordentliches Verbundmauerwerk ist, also wie “rangeklatscht” wirkt und folglich nicht lange halten kann. Nun steht der Turm aber schon ein paar hundert Jahre und das Geheimnis dieser “Naht” erschließt sich uns ein Stück weiter in der Mauer – an einem Wiekhaus. Diese halbrunden Ausbuchtungen stabilisieren die Mauer und dienten gleichzeitig der Verteidigung der Stadt.
Auf den klar erkennbaren Absätzen befanden sich hölzerne Plattformen, auf denen die Verteidiger standen, den anrückenden Feind beobachten und schließlich bekämpfen konnten. Die Schießscharten entstanden übrigens, als Mauer und Wiekhäuser aufgestockt wurden. Die ursprünglichen Zinnen wurden mit Ziegeln verengt und dem Einsatz der neuen Feuerwaffen angepasst. Ein weiteres “Stockwerk” wurde aufgesetzt, so dass die Mauer noch wehrhafter wurde. Setzt man dieser halbrunden Struktur nun eine ebenso halbrunde Halbschale innen vor, macht man also aus einem Halbkreis einen Vollkreis, dann entsteht ein Turm. Damit wäre das Geheimnis der merkwürdigen Naht am Eulenturm gelöst.
Gehen wir durch die kleine Pforte, die zum ehemaligen Polizeigefängnis führte, auf die Feldseite der Mauer, so bekommt man eine Vorstellung, wie der Name unserer Stadt entstanden sein könnte. Er hat allerdings nichts mit den Templern zu tun. Den von Sagen umwobenen Schatz der Tempelritter hätten die Archäologen längst gefunden, weil sie z.B. bei Straßenbauarbeiten immer sofort zur Stelle sind und auch immer etwas finden: Das neu angelegte Straßennetz geht größtenteils über die alten Gehöfte, also kommen bei Erdarbeiten dann Grundmauern, Kellergewölbe und manchmal auch Skelette zum Vorschein.
Nein, der Name der Stadt rührt eher von der Beschreibung ihrer Lage her und bedeutet “Hügel, am Wasser gelegen” oder “von Wasser umgeben”. Es gibt noch andere Deutungen, aber die hier genannte ist wohl am plausibelsten. Etwa dort, wo heute die Schleuse ist, gab es vor der Stadtgründung einen natürlichen Damm, über den die damals recht sumpfige, schwer passierbare Gegend durchquert werden konnte und der dazu führte, dass sich hier zwei Handelsstraßen kreuzten, die Teil des mittelalterlichen Straßennetzes der Via Regia waren.
Eine davon führte auch in Richtung Hamburg, so dass dort ansässige Kaufleute an einem lebendigen Verkehrsknotenpunkt Templin interessiert waren und sich deshalb am Wiederaufbau beteiligten. Unser Weg entlang der Mauer führt uns zum Neuen Tor von 1768, zu dem auch das Akzisehaus gehört, wo eingeführte Waren deklariert werden mussten. Wir überqueren nun die Obere Mühlenstraße und folgen innen dem Verlauf der Mauer bis zum Pulverturm, der ähnlich wie der Eulenturm aus einem Wiekhaus entstand. Kurz vor dem Turm gibt es eine merkwürdige Stelle in der Mauer: Der schichtweise Aufbau ist nicht erkennbar! Des Rätsels Lösung: Beim Luftangriff vom 6. März 1944 hatte eine Bombe an dieser Stelle ein Loch in die Mauer gerissen und bei der späteren Instandsetzung wurde auf den schichtweisen Aufbau nicht geachtet, vielleicht wussten die Maurer auch nichts davon. Weiter geht es zum Prenzlauer Tor, der am vollständigsten erhaltenen Toranlage, die auch das Museum für Stadtgeschichte beherbergt.
Die räumliche Gestaltung macht die Toranlage als Durchgang und Übergang zwischen Stadt und Land erlebbar. Das Waldemartor ist auch der richtige Ort für die Legende vom Markgrafen Waldemar, der angeblich doch nicht 1319 gestorben, sondern 1348 nach langer Pilgerfahrt ins Gelobte Land heimkehrte, seine Herrschaft in Brandenburg wieder antrat und vom Volk bejubelt wurde. Die Freude dauerte jedoch nicht lange und der Jubel hatte für die Städte, die wohl einem Hochstapler gehuldigt hatten, unangenehme Folgen. Seit dem 14. Jahrhundert war jedes der Stadttore eine kleine Festung für sich, mit Zwinger, Vortor und Wallanlagen. Beim Umbau der ursprünglichen Feldsteintore zu ihrer heutigen Gestalt war beim Prenzlauer Tor den Stadtvätern “entweder das Geld ausgegangen, oder sie hatten das Interesse verloren”, wie ein Chronist berichtet.
Deshalb gibt es hier auch keinen begehbaren Wehrgang über den Pfeilern zur Führung des Fallgatters an der Feldseite, wie er an den beiden anderen und älteren Stadttoren vorhanden ist. 1924 entstand am Prenzlauer Tor ein Bauensemble bestehend aus Kreuzgang, Festplatz und Springbrunnen, das als „Kriegerehrung“ angelegt war. Heute erinnert in der Endnische des Kreuzganges eine Gedenktafel an die 176 jungen Männer aus Templin und Umgebung, die während des 1.Weltkrieges um ihr Leben gebracht wurden. Der Festplatz wurde zu Ehren der Dichterin Erna Taege-Röhnisch und ihres Ehemannes Fritz Röhnisch, die in den 1950er Jahren mit dem Aufbau des damaligen Heimatmuseum zusammen den Grundstein für das heutige Museum für Stadtgeschichte legten, Röhnischplatz genannt.
Für den Weg zur Maria-Magdalenen-Kirche haben unsere Besucher nun zwei Möglichkeiten: Geht man die Seestraße hinunter, lädt die Gaststätte “Shanty” zur Einkehr mit Blick auf den Ratsteich, wo sich auch die Anlegestelle des Fahrgastschiffes “Uckermark” befindet. Die Fünf-Seen-Rundfahrt erfreut sich bei unseren Gästen großer Beliebtheit und bietet ein eindrucksvolles Naturerlebnis für die ganze Familie. Auf diesem Weg bekommt man zwar ein besonderes Wiekhaus zu sehen, man verpasst allerdings zunächst die unbedingt empfehlenswerte, äußerst liebevoll mit viel Geschmack und Sinn für das Schöne gestaltete Altstadtpassage. Hier lohnt ein Besuch des Heimatladens, der nicht nur Produkte aus der Uckermark anbietet, sondern auch Anlauf- und Beratungsstelle für Heimkehrer und Neu-Uckermärker ist. Das Café ist nicht nur wegen seiner leckeren Flammkuchen mit den dazu passenden vorzüglichen Weinen ein Tipp für Genießer.
Die Altstadtpassage verdanken wir übrigens der Zusammenlegung von Innenhöfen, so dass ein Durchgang von der Thälmann- zur Pestalozzistraße entstand und somit eine der attraktivsten Ecken in der Templiner Innenstadt geschaffen wurde. Einige andere Innenhöfe sind ebenfalls der Öffentlichkeit zugänglich und werden z.B. als Biergärten genutzt. Davon kann man sich bei passendem Wetter gleich überzeugen, wenn man die Passage verlässt und sich unmittelbar nach rechts wendet, wo die Gaststätte “Grünling” mit urigem Ambiente und deftigen Speisen einlädt. Folgen wir weiter der Pestalozzistraße und biegen dann links ab in die Werderstraße, so grüßt vom Ende der Straße die “Villa Toscana”, eine Gaststätte mit speziellem Charakter, den es ebenfalls zu entdecken lohnt.
Maria Magdalenen Kirche
Durch die Martin-Luther-Straße geht es dann zur St. Maria-Magdalenen-Kirche. Sie war ebenfalls 1735 fast völlig abgebrannt – nur die Sakristei mit ihrem charakteristischen Kreuzrippengewölbe und der Unterbau des Turmes aus Feldsteinmauerwerk überlebten das Feuer – und wurde auf den Fundamenten des gotischen Vorgängerbaus im Barockstil neu errichtet. Wie aus der Inschrift über dem Portal hervorgeht, hatte Friedrich II. das Seinige zum Wiederaufbau beigetragen, aber auch eine eiserne Schatulle neben dem Altar aufstellen lassen. Die Bedeutung des Trichters mit Schlitz im Deckel ist leicht zu erraten und so kann der geneigte Besucher auch heute noch dem Alten Fritzen eine Freude machen. Überqueren wir nun die Mühlenstraße und gehen wieder an der Stadtmauer entlang zum Berliner Tor.
Hier warten nun einige Entdeckungen auf den aufmerksamen Besucher. Zunächst fällt ein seltsam ausgehöhlter Stein in der Mauer auf, ein Mahltrog aus der Bronzezeit, der als solcher nicht mehr gebraucht wurde und so die Mauer verstärkte. Vor dem Berliner Tor erinnert ein Davidstern aus Bronze an die ehemalige Synagoge der jüdischen Gemeinde und auch die Feldseite des Berliner Tors bietet eine Überraschung: Bei der Instandsetzung der 1735 ausgebrannten Stadttore fand man zwei Musketenkugeln aus dem 30-jährigen Krieg und brachte sie zur Erinnerung an eine furchtbare Zeit in den Blendnischen an. Etwa seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde der Torturm als Kornspeicher genutzt, wodurch sich der Anbau des Erkers zur Aufnahme einer Hebevorrichtung erklärt.
Friederike Krüger
Richtet man nun den Blick über die Straßenkreuzung auf den St. Georgen-Friedhof, so sieht man nicht nur einen Ort der Trauer und des Gedenkens. Auch hier kann man eine Entdeckung machen. Gleich links hinter dem Eingang gibt es ein besonderes Grab, das gleich an seinem gusseisernen Grabkreuz zu erkennen ist und das von der Stadt gepflegt wird. Hier liegt Friederike Krüger Kopf an Kopf (!) mit ihrem Ehemann begraben, eine junge Frau, die sich als Mann verkleidete, um als Soldat an den Befreiungskriegen ab 1813 teilnehmen zu können.
Sie zeichnete sich durch ungewöhnliche Tapferkeit und Umsicht im Gefecht aus, wurde mehrfach mit verschiedenen Orden geehrt und zum Unteroffizier ernannt. In Folge einer Verwundung wurde ihr Geschlecht entdeckt, sie hatte aber nur einen Wunsch: Sie wollte nach ihrer Genesung so schnell wie möglich zu ihrem Regiment zurück, was dann von König Friedrich Wilhelm III., der sie persönlich im Lazarett besucht hatte, auch gestattet wurde – ein einmaliger Vorgang in der preußischen Militärgeschichte.